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Rezension

Institut für Fort- und Weiterbildung der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Informationen September 2007

Was in den Freikirchen gleichsam ein Identitätsmerkmal war und ist, das Wort Gottes als bestimmende Kraft für das Leben des einzelnen und die Gemeinde, hat seit dem Zweiten Vatikanum auch in der katholischen Kirche wieder das ihr zustehende Gewicht erhalten. Im seit längerer Zeit praktizierten Dialog zwischen Freikirchen und Katholiken stand nach der Taufe und der Rechtfertigung jetzt in einem dritten Symposion die Bedeutung der Bibel im Mittelpunkt.
Der Band dokumentiert die Beiträge dieses Symposions.
Die Schrift als Wort Gottes ist wahr, unabhängig von ihrer geschichtlichen-zeichenhaften Vermittlung. Diese Wahrheit wird im Glauben angenommen. Damit ist auch klar, dass das Wort selbst nie nur im Literalsinn Gültigkeit beansprucht, sondern den geistlichen Sinn als Ergänzung benötigt. Insofern ist das Verstehen der Schrift als Wort Gottes gleichsam an Leben und Glauben der Kirche als ganze gebunden. In seinem grundlegenden Beitrag beschäftigt sich P. Lüning mit dem Zusammenwirken von Schrift und Tradition. Dabei macht er deutlich, dass das Sola-Scriptura-Prinzip Luthers bereits ein Reflex auf die Gefahr des Vergessens der Schrift durch Überlagerungen von »Bezeugungen« gewesen ist. Trient hat erneut für Schrift und Tradition plädiert, allerdings in einem starken »Sowohl-als-auch«. Erst das Zweite Vatikanum eröffnet mit dem Zusammenspiel von Schrift und Tradition im geschichtlichen Verständnis und einer Version »Teils-Teils« neue Spielräume, die auch das Lehramt herausfordern. Alle drei Pole sind aufeinander verwiesen, wobei das Lehramt nie über der Schrift steht.
Bei den Baptisten steht das Wort der Schrift über allem. Nach den ersten Gemeindengründungen auf europäischem Festland kann keine andere Autorität die Schrift auslegen, denn aus ihr spricht der Heilige Geist. Dieser Grundzug der Baptisten, die sich als Bibelbewegung verstehen, ist bis heute geblieben, selbst wenn es in den verschiedenen Gemeinden zu unterschiedlichen Bekenntnissen gekommen ist. Ihre Bekenntnisse, in aller Regel zusammenfassende Aussagen, die nach außen und zur Verteidigung erstellt werden, binden die Gläubigen aber nicht im selben Maß wie die Schrift. Wenn das Bekenntnis nicht bindet, dann aber sehr wohl das gemeinsame Hören auf das Wort Gottes. Damit entscheidet die Gemeinde über richtig oder falsch der Auslegung. Dieser hohe Stellenwert der Gemeinde als Verstehensgröße für die Schrift macht den Stellenwert von »Bibelstunden« oder Hauskreisen in baptistischen Gemeinden verständlich. Gleichzeitig tun sich verschiedene Schwierigkeiten auf (hermeneutischer Zirkel, Umgang mit der Tradition, Umgang mit Experten ...), die in ihrer Problematik verdeutlicht werden.
Die Methodisten orientieren sich am Sola-Scriptura-Prinzip, verbinden es aber noch mit einer pietistischen Note. Das Wort der Schrift wird dabei zur »alleinigen und hinreichenden Richtschnur des christlichen Glaubens und Lebens« (John Wesley 86). Diese Bedeutung hängt mit der bevorzugten Ausrichtung auf das Heil zusammen. Die Auslegung der Schrift bezieht die Schrift selbst sowie Tradition, Vernunft und Erfahrung mit ein; der Tradition kommt dabei keine eigenständige »Quellfunktion des Glaubens« zu wie im katholischen Verständnis, sondern lediglich eine Verständnisfunktion.
In eine kritische Phase kam das methodistische Schriftverständnis in der Auseinandersetzung mit der historisch-kritischen Methode. Doch anders als bei den Baptisten ist die Integration gelungen, denn mit der Kategorie »Inspiration« wird zum Ausdruck gebracht, dass die menschlichen Schreiber von Gott in Dienst genommen wurden. Als hermeneutische Grundausrichtung bleibt aber die alleinige Geltung der Schrift für Glauben, Lehre und Leben sowie die Rechtfertigung des sündigen Menschen als inhaltliches Zentrum bestehen.
In einem weiteren Beitrag wird das Grundprinzip der hermeneutischen Reflexion — die Kriterien Schrift, Tradition, Erfahrung und Vernunft — vorgestellt. In diesem Viereck ist jedes Element eine »grundlegende Quelle für theologisches Verstehen, ... gleichzeitig hinterfragt jedes Kriterium die anderen kritisch, korrigiert und ergänzt. Deutlich wird der Schrift als normativer Quelle der Selbstoffenbarung Gottes der Vorrang vor den übrigen 3 Kriterien eingeräumt, denen eine diese Offenbarung darstellende und dokumentierende Einsicht zuerkannt wird« (112).
Als hilfreich empfinde ich, dass neben den grundsätzlichen Beiträgen immer auch »Beobachtungen« aus dem Umgang mit der Schrift in den Gemeinden der liturgischen Versammlung mitgeteilt werden. Damit wird auch deutlich, wie Gemeinden aus der Schrift leben. Insgesamt finde ich diesen Band wieder recht anregend, vor allem für die, die mit unterschiedlichen Partnern z. B. die ökumenische Bibelwoche gestalten.
Matthias Ball

Rezensierter Titel:

Umschlagbild: Die Bibel im Leben der Kirche

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Die Bibel im Leben der Kirche

Freikirchliche und römisch-katholische Perspektiven
Klaiber, Walter/Thönissen, Wolfgang/Geisser, Christiane/Gebauer, Roland/Hardt, Michael/Heinze, André/Krüger, Richard/Lange, Andrea/Lüning, Peter/Neumann, Burkhard/Pöhler, Rolf J./Schuler, Ulrike/Vogt, Peter