Rezension
Taunus Zeitung 21.10.2009
Mit einem Festakt begann das Wintersemester an der Lutherischen Theologischen Hochschule. Studenten, Professoren und Freunde feierten den 75. Geburtstag des emeritierten Professors der Praktischen Theologie, Wilhelm Rothfuchs.
Als Wilhelm Rothfuchs 1989 nach Oberursel an die Lutherische Theologische Hochschule kam, erlebte er einen Kulturschock. «»Die Arbeit mit der akademischen Jugend war eine schockierende Vereinseitigung», erinnert er sich. Als Pfarrer sei er den Umgang mit allen Altersgruppen gewohnt gewesen. Zu seinem 75. Geburtstag wurde Rothfuchs nun an seinem ehemaligen Wirkungsort mit einem Festakt geehrt.
Der jetzt erschienene Aufsatzband »Heilvolle Wende. Buße und Beichte in der evangelisch-lutherischen Kirche« in der Reihe »Oberurseler Hefte«, ist dem Jubilar gewidmet. Das Buch wurde von Werner Klän im Auftrag der Hochschule herausgegeben.
Von 1989 bis 1999 lehrte Rothfuchs an der Theologischen Hochschule. In seiner Laudatio beschrieb Prof. Volker Stolle seinen Weggefährten als kritischen Geist, den die Liebe zum Wort ausgezeichnet habe. Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind wenige geblieben. »Er kultivierte seine Sprache lieber im lebendigen Gespräch und wählte die kleinen literarischen Formen, dabei stets wachsam gegenüber leichtfertiger Rede«, würdigte Stolle. Rothfuchs’ kritischer Geist brachte ihm aber auch Schwierigkeiten ein. So musste er lange auf die Annahme seiner Dissertation über die »Erfüllungszitate im Matthäusevangelium« warten, »weil sich die Fakultät in Münster zur Promotion eines selbstständigen Lutheraners nur schwer entschließen konnte und sein Doktorvater schon fürchtete, ihr mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht auf die Sprünge helfen zu müssen«, berichtete Stolle. Auch habe Rothfuchs gezeigt, »wie Umkehr und Erweckung im Neuen Testament in heutiger Zeit wegweisend sind, das Wort der Bibel uns heute noch verlegen macht oder gelegen kommt«. Als Praktischer Theologe setzte Rothfuchs auch Videoaufnahmen von Gottesdiensten und Unterrichten ein, die kritische Selbstwahrnehmung zu ermöglichen. Als Seelsorger habe er den Mut gehabt, »in den vielen, oft mehr als seltsamen Situationen, die sich ergaben, den Spaten anzusetzen, um Trost-fündig zu werden, und zwar nicht nur auf dem Acker seiner Gemeinden«, betonte Stolle. Auch seine Liebe zum »Dienst am Wort« sei für ihn charakteristisch. Als Praktischer Theologe habe er sich Gesprächsmoderator und Gesprächsvermittler zwischen dem biblischen Gotteswort und der Gemeinde verstanden. Deshalb entwickelte er eine Didaktik missionarischer Gespräche mit Zeitgenossen. Für den Theologischen Fernkurs an der Hochschule habe er als Ruheständler das Modul »Andachten vorbereiten und halten« geschrieben.
Die Rückkehr an den Ort seiner Studienzeit war für Rothfuchs jedoch 1989 nicht nur ein Kulturschock. »Es war auch eine unglaublich schöne, befreiende Erfahrung. Die Studenten haben viel nachgefragt«, erinnert er sich. Man sei an seine Grenzen gestoßen. »Ich habe das so empfunden, dass ich wieder jung werden und ernen darf.« Auch sein einstiger Student Christian Hildebrandt, inzwischen Pfarrer in Frankfurt, war zum Festakt gekommen. »Er hat immer ein weites Herz gehabt, auch theologisch,« erinnert sich der 51-Jährige an seinen ehemaligen Professor. »Er hat immer versucht, das Menschliche in der Theologie wachzuhalten und differenziert zu denken.« Deshalb sei er nicht unumstritten gewesen.
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